Alternative Geschichte 1870/71

Hier wird über Kriegskonflikte, Schlachten und Waffen der Neuzeit diskutiert.
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Majo
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Alternative Geschichte 1870/71

Beitrag von Majo »

So Leutz,

endlich hab ich mal wieder die Zeit gefunden, hier was mit Inhalt zu posten. Im Grunde geht es bei dem Ganzen um meine Facharbeit als 5. Prüfungsfach im Abitur. Das Ganze hat etwa einen Umfang jetzt von 40 Seiten und geht ganz grob um die Frage "was wäre geschehen, wenn ?" ! Ansatzpunkt für eine solche Frage war während meiner Ausarbeitung die "Emser Depesche" von 1870, die der End-Auslöser für den Deutsch-Französischen Krieg und damit der deutschen Reichsgründung war, aber ich will nicht zu viel verraten. Nun ist es so, dass ich von ein paar Leuten so eine Art Kritik von dem Ganzen haben will, mitunter auch mit Fragen jeglicher Art verbunden. Wer also Bock auf 40 Seiten Geschichte hat, der kann sich ja mal melden und dem kann ich das dann zumailen und dann die ein oder andere Stelle hier im Forum mit ihm diskutieren.

...und bevor einer der Mods den Post verschiebt, bitte nich, jaa?!!?

Gruß Majo :wink:
Aus der Geschichte der Völker lernt man,dass die Völker aus der Geschichte nichts gelernt haben!
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Majo
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Beitrag von Majo »

OK, irgendwie funzen die Links bei mir nicht, d.h. ich hab keine Ahnung, Zextr, was du mir geschickt hast.Sry :?

Gruß Majo :wink:
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Krupp
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Beitrag von Krupp »

Majo hat geschrieben:OK, irgendwie funzen die Links bei mir nicht, d.h. ich hab keine Ahnung, Zextr, was du mir geschickt hast.Sry :?

Gruß Majo :wink:
Sind alles nur Hyroglyphen, kann keine Sau lesen, weiss der Geier wo das herkommt :shock:

@Majo

Du kannst ja einen Auszug aus den 40 Seiten hier reinstellen, na wie wärs :D :wink:

Gruss

Krupp
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Majo
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Beitrag von Majo »

Jo, die Buchstabensuppe hab ich auch...

Ok, wenn ihr das wirklich alles lesen wollt, na gut...ich stells aber erst morgen rein, bin da jetz zu müde *gähn* :D


Gruß Majo :wink:
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Majo
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Beitrag von Majo »

OK, mit einem Tag Verspätung der erste Teil meiner Arbeit. In der Folge kommen noch Texte, wo noch Quellenangaben sind, einfach ignorieren ! Die dienen nur meinem Prüfer dann dazu, bestimmte Dinge nachzuvollziehen. Ansonsten viel Spaß !! 8)


Gruß Majo :wink:



1.Einleitung:


1.1.Vorstellung des Themas:
In meiner Arbeit will ich zunächst, sozusagen als Hinführung auf das Thema, grob den Überblick über den Streitpunkt „ Schicksal oder freier Wille“ ins rechte Licht rü-cken, um anschließend mit dem eigentlichen Thema zu beginnen.
Aus diesem Grund habe ich, wie schon viele vor mir, mir die Frage gestellt, ob der Mensch und sein Verhalten gegenüber anderen Menschen und sein Handeln, quasi sein Aktion, seine Reaktion, allgemein gesagt, sozusagen seine Interaktion, determi-niert ist, also quasi nach einem Strickmuster vorherbestimmt ist, was uns dem Begriff Schicksal näher bringt, oder ob der Mensch einen freien, ungebundenen Willen be-sitzt und sein Handeln seinem Willen und nicht einer Art Schicksal unterliegt.
Mit dieser Frage, der Frage nach dem eigenen freien Handeln stellt sich nun auch zwangsläufig die Frage nach dem irdischen Gesamtgeschehen, als sozusagen der Summe allen freien Willens und Handelns. Im Gegenzug dazu steht das Schicksal der Welt als Summe der Einzelschicksale der Menschen.
Geht man nun davon aus, dass das Handeln der Menschen nicht determiniert ist, sondern dass die Menschen ihrem freien Willen unterworfen sind, ist nun klar, dass wenn ein einziger Mensch bei der Summe allen freien Willens anders gehandelt hät-te, als es die Geschichte vorschreibt, das irdische Gesamtgeschehen bis zu heutigen Tage hätte anders verlaufen lassen. Ist dieser Mensch nun ein unbedeutender Arbei-ter hätte sich dadurch wohlmöglich für uns, als heutiger Mensch, nicht viel verändert, vielleicht für die Familie des Arbeiters, für die auf die er unmittelbar gewirkt hat, aber die Auswirkungen auf uns wären so unschätzbar gering, dass man sie getrost ver-nachlässigen kann.
Ist nun dieser Mann aber ein bedeutender Mann, ein Mann mit Einfluss, einer der etwas bewegen kann, dann könnte ein anderes Verhalten in seinem Leben, etwas was wir heute vielleicht in jedem Geschichtsbuch nachlesen können, nachhaltigen Einfluss auf unsere heutige Welt haben.
Genug der langen Worte. Warum ich dies alles so ausführlich schildere, wird sich nun so mancher fragen. Er möge sich gedulden, ich werde darauf zurückkommen.
Mein Thema befasst sich ebenfalls genau mit der Frage des freien Willens – in einer allgemeineren Form. Ist Geschichte wirklich so unausweichlich? Nicht viele Men-schen stellen sich diese Frage. Sie nehmen es hin. 55 Millionen Menschenleben, die der 2.Weltkrieg forderte, würden es wohl im nachhinein Geschichte nicht so einfach hinnehmen. Doch war er unausweichlich? In meiner fast einjährigen Arbeit werde ich mich mit dieser Frage auseinandersetzen, wenn auch etwas weniger auf diesen Zeit-raum ( Anmerkung: 1933-1945) bezogen, sondern vielmehr allgemein auf die Zeitge-schichte und punktuell konzentriert an verschiedenen Ereignissen der Zeitgeschichte anzeigen, ob Geschichte unausweichlich ist oder nicht.
Ansatzpunkt soll die „Emser Depesche“ aus dem Jahr 1870 sein, die als Anlass zum „Deutsch- Französischen Krieg“ anzusehen ist. Im Folgenden wird die Wahrschein-lichkeit dieses Konfliktes erklärt, die Alternativen zu ihm und deren Auswirkungen auf die Zeitgeschichte aufzeigt.
Doch zunächst soll den Kritikern der fiktiven Geschichte das Wort übergeben wer-den.




1.2. Darlegung der Problematik der „fiktiven Geschichte“:

1.2.1 Allgemein:

Wie bei so vielen Dingen, die neu und unüblich sind, gibt es auch bei der Frage „was wäre gewesen, wenn…?“ Kritiker.
Diese sind, wie man es eigentlich nicht anders erwarten kann, wenn es um „fiktive Geschichte“ geht, natürlich Historiker. Historiker sind wie bei kaum einem anderen Bereich der Geistes- oder Gesellschaftswissenschaften im höchsten Maße faktisch orientiert. Es wird nur das gesagt, was auch anhand von irgendeiner Art von Quelle, sei es in Form von Funden, Schriftstücken, Überlieferungen oder in jüngerer Vergan-genheit durch Film, Ton oder sogar Zeitzeugen zu belegen ist. Diese Arbeits- und Denkweise ist wie bei kaum einer anderen Wissenschaft, mit Ausnahme der empiri-schen Wissenschaften, rational und real. Aus diesem Grund erscheint Geschichte auch bei vielen als sehr trocken und unbelebt.
Viel interessanter für die Menschen ist da schon eine Fantasy- oder Science-Fiction-Geschichte, welche im Grunde überhaupt nicht auf Fakten sondern eher auf Fanta-sie, Spekulation und Fiktion beruhen. Hier wird die Geschichte –oder die Zukunft- der Welt neu erfunden. Die modernen Menschen, die den gesamten Erdball aus dem Fernsehsessel kennen, können sich nun keine andere Welt mehr vorstellen. Ganz anders vor 150 Jahren. Die Quelle des Nils war noch nicht entdeckt, die Pole waren noch unbekanntes Land, der Everest noch nicht bezwungen, der Mond nur eine helle Scheibe am Horizont, selbst die Vögel konnten noch ungestört am Himmel ihre Krei-se ziehen. Die Menschheit hatte noch Abenteuer zu bestehen, die die damals reale Welt noch interessant machten. Eine Reise von Frankfurt nach Berlin war für das einfache Volk eine Weltreise. Damals dachten die Menschen wohl noch nicht an das „Abenteuer der fiktiven Geschichte“, doch heute, in einem Zeitalter der Medien ist doch nichts mehr zu interessant, als das es real sein könnte.
Dies haben sich wohl auch viele Autoren gedacht, Romanautoren, die die Geschich-te in ein anderes Licht rückten. Sie haben die Geschichte umgeschrieben und somit unreal und dadurch für den modernen Menschen interessanter gemacht. Und an die-sem Punkt setzen viele Kritiker der „fiktiven Geschichte“ ein. Sie kritisieren das un-faktische, zum Teil sogar vollkommen unrealistisch- überdrehte solcher Geschichten. Heutzutage, nachdem es lange Zeit überhaupt verpönt war, ist man sogar schon so-weit, dass kontrafaktische Überlegungen Konjunktur haben und die „Was wäre, wenn…?“-Frage unter Historikern nicht mehr verpönt ist.
Kritiker setzen also heute da an, wo historische Plausibilität nicht mehr gewährt ist und kritisieren damit vor allem Romanautoren, die durch einen möglichst reißeri-schen Roman, der sich jeglicher Glaubwürdigkeit entbehrt, die Geschichte missbrau-chen. Dort, wo die handelnden Personen nur den Namen ihres historischen Vorbilds tragen und vom Verhalten her mit diesem nichts mehr gemein haben, entziehen sie sich aber jeglicher Plausibilität.
Die Kritik bezieht sich also darauf, ob diese Theorie, sei sie in einem Roman oder in einer wissenschaftlichen Arbeit verpackt, historischen Wert besitzt und sehr fakten-orientiert, wenn auch spekulativ, ist oder ob diese Spekulationen nur Fantastereien ohne jeglichen Gehalt und unfaktisch sind. Darin besteht wohl das Crux(1) der „fikti-ven Geschichte“.
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Beitrag von Oberheereskommando »

folgt da noch mehr ??? hört sich ja so schon durch die wortwahl sehr vielversprechend an !!!


MkG OHK
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Beitrag von Majo »

Klar, da folgen noch knapp 40 Word-Seiten !!!

1.2.2. Eigene Meinung:
Wie man vielleicht an einigen Passagen des bisherigen Textes merken kann, kom-men schon zum Teil eigene Vorstellungen mit ins Spiel, wobei dieser Teil mehr als eine Art Zusammenfassung dienen soll.
Nun bin ich also an dem Punkt angelangt, wo ich mich selbst mit dieser Problematik auseinandersetzen muss. Nach meinem eigenen Ermessen ist meine Denkweise - derer eines Historikers entsprechend - bei wissenschaftlichen Arbeiten rational und faktisch orientiert. Aus diesem Grund bin ich bestrebt, um keinen Kritikern in wenigs-tens diesem Punkte zum Opfer zu fallen, möglichst plausibel meine Theorien und Spekulationen darzulegen, um so ein „realistisches“, wirklichkeitsnahes Bild der mög-lichen Realität wiedergeben zu können.
Denn ich denke, dass Romane, die eben nicht in einem solchen Sinne geschrieben sind, haben weniger geschichtlichen als vielmehr unterhaltsamen Wert, auch wenn das Unterhaltsame schon fast wieder aufgrund der Unglaubwürdigkeit leidet. Und ich will mit meiner Arbeit ja weder Unglaubwürdig noch langweilend wirken.

1.2.3. Auseinandersetzung mit dem Streitpunkt „Schicksal, Zufall oder freier Wille?“

Schon seit jeher haben sich Menschen mit dem Gedanken befasst, ob ihre Existenz durch eine Art Schicksal vorbestimmt sei, ob das, was sie tun gar nicht ihrem eige-nen Willen entspringt sondern durch eine höhere Macht bestimmt werde. Auf diesem Gedanken haben sich ganze Weltanschauungen und sogar Religionen aufgebaut. In früheren Zeiten glaubten die Menschen, dass die Götter ihr Handeln und ihr Sein be-einflussten oder sogar ganz bestimmten. Manche Völker gingen soweit, dass sie glaubten, dass eigene Schicksalsgöttinnen(1) für jeden Menschen einzeln einen Fa-den, den Lebensfaden oder Schicksalsfaden, woben, führten und diesen auch wieder durchtrennten. Vor allem im hellenistischen Einflussbereich, aber auch in keltisch-germanischen-nordischen Sphären war dieser Glaube verbreitet. Nach diesem Glau-ben war es sogar den Göttern nicht einmal unmittelbar vergönnt, in das Schicksal einzugreifen, es war alleine Aufgabe der Schicksalsgöttinnen.
In diesem Glauben also spiegelt sich das Bedürfnis des Menschen wieder, ob er ei-nen wirklich freien Willen besitze oder ob sein Verhalten durch eine höhere Macht oder den etwas abstrakten Begriff des Schicksals determiniert sei.
Mit dem Aufkommen des Christentums kam dieser Gedanke in Vergessenheit. Die Masse der Bevölkerung war wenig gebildet, wenn überhaupt, und die Kirche war in solchen Dingen das Maß aller Dinge. Es hieß nun „Kaiser von Gottes Gnaden“. An die Stelle der Schicksalsgöttinnen war „ein“ Gott, der Gott getreten, der als Welten-schöpfer und Richter beim jüngsten Gericht über das Schicksal der Menschen be-stimmte, nach dem Glauben sowohl im Diesseits, wie auch im Jenseits.
Mit dem Humanismus und der Zeit der Aufklärung rückte der Mensch als selbststän-dig denkendes und individuelles Wesen wieder in den Vordergrund. Die Frage nach dem freien Willen und dem Determinismus, dem Schicksalgedanken wurde in vielfa-cher Weise neu gestellt. Große Denker beschäftigten sich mit dem Thema. Die Kir-che verlor mit ihren altmodisch wirkenden Thesen und Predigten an Einfluss, wider-legt durch die empirische Wissenschaft musste die Kirche einsehen, dass die Men-schen wieder durchaus an Fakten interessiert sind. Der Geist der Aufklärung erfasste die Menschen und mit ihm die Frage nach dem Schicksal. Aufs Neue versuchten die Menschen dieses Geheimnis zu lüften. Philosophen versuchten ihre Theorien zu be-weisen, denn Glaube war beim Volk nicht mehr zeitgemäß â€“solang es ihm gut ging.

(1)Schicksalsgöttinnen: üblicherweise 3; am bekanntesten, die der germanischen (dort „Nornen“ ge-nannt), römischen („Parzen“) und griechischen („Moiren“) Mythologie
Die Frage nach dem Schicksal wurde aber meiner Meinung viel zu oft in religiöser, als viel zu wenig in geschichtlicher Hinsicht gestellt, denn wie wir schon festgestellt haben , ist im Grunde bei dem rein theoretisch freien Willen des Menschen, die Sum-me, quasi das Ergebnis, allen freien Willens der Menschheit sozusagen, die Ge-schichte unserer Erde. Natürlich spielen auch Faktoren bei dem Erdgeschehen eine Rolle, die wir als Menschen nicht bestimmen können, so zum Beispiel das Wetter. Ein einfaches Beispiel der Geschichte: Wie so oft war es der Winter, der einen im höchsten Maße strategischen Wert besaß. Wir schreiben das Jahr 1941. Deutsche Truppen stehen vor den Außenbezirken Moskaus. Es geht nicht weiter. Treibstoff-mangel, unzureichende Reserven, mit jeder Stunde wird der Feind stärker. Jeder würde dem Winter die Schuld geben. Natürlich, die Soldaten hatten keine winterfeste Kleidung. Der wenig vorhandene Treibstoff fror im Tank der Fahrzeuge, die mit Nä-geln verstärkten Stiefelsohlen der deutschen Soldaten fungierten als grausam vor-treffliche Kälteleiter. Ganz klar, „General“ Winter leistete beste Arbeit. Doch ich frage mich: Im Grunde war es dem deutschen Generalstab und Hitler doch klar, dass die russischen Winter sehr hart waren. Auch Napoleon scheiterte 130 Jahre vorher an diesem Faktor, der sich auf das Kriegsgeschehen auswirkte. Sicher, vor allem in die-sen Kriegsjahren, waren sie unverhältnismäßig hart, aber das ändert ja nichts am Treibstoffmangel, oder der mangelnden Winterkleidung. Die Russen waren bestens ausgerüstet, durch einen Nichtangriffspakt mit Japan konnten sogar frische Truppen, speziell für das Gefecht bei extremen Wetterbedingungen ausgerüstet, aus dem fer-nen Ostsibirien herangezogen werden.
Wie man sieht, der Mensch ist anpassungsfähig. Die Frage des Erfolges liegt nicht an dem Problem selbst, sondern an den Mitteln wie und an dem Willen und Wollen, dass man es löst.
Um zum Schicksal zurückzukommen, es mag vielleicht Schicksal sein, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt unvorhergesehen kommt, doch man kann das Schicksal in dem Maße beeinflussen, in dem man auf eine solche Möglichkeit vorbereitet ist. In diesem Sinne wäre das Schicksal schon wieder kein Schicksal mehr, sondern eher der Zufall, dass man genau auf dieses Ereignis vorbereitet ist. Insofern würde die Existenz des Schicksals von unserem eigenen Verhalten abhängig gemacht werden. Dies würde wiederum bedeuten, dass Schicksal das ist, was mit einem geschieht, wenn man selbst keinen eigenen Willen hat, sondern als rein passives Wesen exis-tieren würde. Doch allein würde schon die Existenz der reinen Passivität ausreichen, dass andere durchaus aktive Wesen durch die Existenz dieses Wesens, welches rein passiv ist, beeinflusst werden und aufgrund dieser Existenz anders agieren. Die-ses Agieren unterliegt aber dem freien Willen, denn man würde mit Sicherheit anders agieren, wenn etwas da ist, wie wenn es nicht da ist. Das bedeutet, dass die reine Existenz eines Objektes, sei passiv oder noch vielmehr aktiv, eine Art von Schicksal ausschließen würde.
Nun „glauben“ einige daran, dass man trotz der Existenz eines Schicksals noch ei-nen freien Willen besäße. Nun frage ich mich aber, wie kann ein Wesen, dessen Le-benslinie quasi vorherbestimmt ist, das heißt, dessen Handeln an dieser Lebenslinie orientiert bleibt, frei entscheiden kann, denn ein Entscheiden nach vollkommenen freiem Willen ist es nicht, nach Richtlinien zu entscheiden. Natürlich entscheiden wir Mensch verstandesgemäß, quasi instinktiv nach unseren persönlichen Regeln. Doch dies ist noch lang kein Nachweis für die Existenz eines Schicksals, dass durch über-natürliche Existenzen bestimmt wird. Schicksal ist meiner Meinung nach zumal so-wieso eine Frage des Glaubens, und hat mit der Geschichte nichts zu tun. Wo das Wissen aufhört, fängt der Glaube an, und Geschichte „wissen“ wir.
Es ist vielmehr ein natürliches Schicksal. Dabei denke ich beim Verhalten des Men-schen her zum Beispiel an das Erben oder regelmäßiges Erfahren bestimmter Ver-haltensmuster, bei Tieren eher an natürliche Instinkte.
Dennoch bedeutet dies noch lange nicht, dass das Leben eines Menschen vorherbe-stimmt wird. Er bestimmt es durch seinen eigenen freien Willen, oder der Wille ande-rer Menschen beeinflusst dies. Nun werden sich manche fragen, was ist mit einem, der nichts ahnend bei einem Gewitter übers Feld läuft und vom Blitz getroffen wird? Ist das nicht Zufall? Auf eine solche Frage würde ich sagen: Es ist immer noch dieser Mensch, der mit freiem Willen entscheidet, dass er zu diesem Zeitpunkt übers Feld geht- mit dem Risiko, bei einem Gewitter vom Blitz getroffen zu werden. Es ist kein Zufall, und Schicksal ist es meiner Meinung nach auch nicht.
Im Grunde gibt es nichts zufällig, alles hat seine Gründe, nichts gibt es grundlos. Al-les ist die Folge seines Ursprungs. Der Ursprung ist wiederum eine Folge seines Ur-sprungs und so geht das weiter. Dies darf man nicht linear sehen, sondern weit ver-netzt. Manchmal haben mehrere Ursachen eine Wirkung, manchmal eine Ursache mehrere Wirkungen. Und ändert man einen Punkt dieser Vernetzung, ändert man die Wirkung, die dieser Punkt als Ursache hat.
Nun werden wieder manche fragen: Ja, wenn alles die Wirkung seiner Ursache ist, wie kann dann diese Wirkung an diesem Punkt des Netzes auf einmal anders sein, wenn es Wirkung dergleichen Ursache ist. Ganz einfach. Der freie Wille des Men-schen ist zum Beispiel ein solcher Punkt, wo wir sagen müssen, dass sich dort etwas im Netz des Ursachen und Wirkungen ändern kann. Doch Zufall ist das nicht. Sonst wäre der rein freie Wille des Menschen Zufall. Selbstverständlich gibt es Punkte, wo man schon fast von Zufall reden kann. Das Werfen einer Münze oder eines Würfels. Jeder normale Mensch würde es als Zufall bezeichnen. Es ist das Resultat verschie-dener Faktoren: Die Windgeschwindigkeit, die Reibung, der Auftreffwinkel. NICHTS ist zufällig oder mit Einsteins Worten: Alles ist relativ! Alles ist von irgendetwas ab-hängig. Das Verhalten eines Menschen ist nicht zufällig. Und wenn es nur ein Geis-tesblitz ist, der einen Menschen anders entscheiden lässt, es ist nicht zufällig. Es ist dennoch dem freien Willen untergeordnet.
Aus dieser Herleitung kann man sich nun auch getrost die Frage nach der „Unum-gänglichkeit“ der Geschichte stellen. Die Person XY hätte sich nicht so und so ent-scheiden müssen, sie hätte sich genauso anders entscheiden können, es gab für die andere Entscheidung auch genügend Gründe, aber: es war kein Zufall. Und Schick-sal war schon rein gar nicht!
Es war der freie Wille dieser Person, so zu entscheiden und nicht anders. Es war also das Gefühl bei einer knappen Entscheidung mehr in die eine Richtung als in die andere zu tendieren. Doch auch dieses Tendieren hat seine „Ursache“. Der Grat zwischen Zufall und dem Ursache –Wirkung -Prinzip ist in diesem Fall sehr schmal und der Unterschied so winzig klein, dass man ihn im Grunde vernachlässigen kann. Ich wollte ihn nur einmal deutlich machen. Schließlich ist das nicht der Kernpunkt meiner Arbeit, sondern diese Theorie, die auch schon etliche vor mir erdacht haben, ist vielmehr ein Nebenprodukt. Aus diesem Grund will ich auch gar nicht näher dar-auf eingehen, zumal ich als normal denkender Mensch auch eine solche Entschei-dung als „zufällig“ abstempeln würde, da die Ursache in einem solchen Fall wirklich utopisch klein wäre, ganz im Gegenteil aber zu der Wirkung, die der eigentliche Kern meiner Arbeit sein soll.

1.3. Gründe für die Wahl des Themas:

Nachdem ich von der Möglichkeit einer Besonderen Lernleistung als fünftem Prü-fungsfach im Abitur näheres erfuhr, machte ich mir Gedanken über die Wahl eines Themas. Sofort schossen mir auch schon ein paar Ideen durch den Kopf. Bei meinen Neigungen in den geschichtlichen Bereich, sollten diese Themen natürlich auch in diesem Bereich angesiedelt sein. Unter anderem war darunter das praktische Ferti-gen eines historischen Modells z.B. nach einem Foto, und die Erklärung und Inter-pretation von diesem. Grund hierfür war meine praktische Erfahrung mit Modellbau, meist Militärmodellbau und der Auseinandersetzung mit der Wehrgeschichte. Es spielten also künstlerische und historische Gesichtspunkte eine Rolle. Aber nun wei-ter. Diese Idee schlug ich mir aber aus dem Kopf, da sie mir zu einfach erschien und für mich nur insofern eine Herausforderung darstellte, dass mein Hobby sozusagen benotet wird. Nun fiel mir ein, dass ich im Fernsehen einmal eine Dokumentation ge-sehen hatte, dessen Thema mich nicht mehr losließ. Der Streitpunkt der „Alternativen Geschichte“. Und ich stellte für mich persönlich die Frage nach der Unausweichlich-keit der Geschichte. Malte mir zunächst zum Teil vollkommen abstrakte Vorstellun-gen aus, was passiert wäre, wenn dieses oder jenes, anders und nicht so, wie es tatsächlich passiert ist, sich vollzogen hätte. Diese Vorstellungen kann ich heute nicht mehr als eindeutig plausibel oder unrealistisch festsetzen, ich weiß nur, dass dieses Thema mich sehr erfasst hatte und malte mir mein Leben aus, wie es wohl aussehen würde, wenn eben etwas „etwas anders“ verlaufen wäre.
Ich entschied mich also für das Oberthema „Alternative Geschichte“. Nun stellte sich für mich die Frage, welches spezielle Thema ich bearbeiten wolle. Rein theoretisch konnte man in der Geschichte ja viele Dinge einfach anders verlaufen lassen, doch so einfach war es nicht. Es musst durchaus plausibel und realistisch herzuleiten sein. Zudem sollte das Thema auch interessant sowohl für mich, als auch für den Leser sein. Da ich mich in der Geschichte fast ausschließlich für die Kriegsgeschichte inte-ressierte und auch auskannte, war ein Thema in diesem Bereich geradezu prädesti-niert. Ich hatte mehrere Vorstellungen, von denen letztendlich drei in die engere Auswahl kamen: zum einen „ Ein Europa ohne Emser Depesche“, im Weiteren „ Ein Nationalsozialismus ohne Hitler“ und zum letzten „ Verschiedene Ausgänge des Zweiten Weltkriegs“. Diese drei Vorstellungen empfand ich als höchst interessant und auch durchaus wissenschaftlich umsetzbar. Von vornherein war klar, dass die „Emser Depesche“ natürlich auf die spätere Geschichte den größten Einfluss wohl hätte, da sie am frühesten, zeitlich gesehen, angesiedelt war. Das zweite Thema hät-te mehr die Politik der Weimarer Republik ins Spiel gebracht und das dritte Thema wohl eher die wirtschaftlich- und militärisch- strategischen und politischen Aspekte dieser Zeit näher beleuchtet.
Grund, letztendlich die „Emser Depesche“ zu nehmen, war zum einen die große Fül-le an möglichen Spekulationsansätzen und das Faszinierende, wie komplett die Welt aufgrund eines anderen historischen Verlaufs hätte anders sein können. Dies, wie schon angeführt, natürlich auch aufgrund der historischen Frühe vor den anderen beiden Themen. Hinzu kommt noch, dass diese Änderungen wirklich hätten weltum-spannend sein können. Weiter für dieses Thema sprach mein Interesse an diesem Thema „Emser Depesche“/ „Deutsch- Französischer Krieg“, während wir dieses im Geschichtsunterricht bearbeiteten. Leider viel zu kurz, öffnete mir der Unterricht, auch in Reflexion darauf, dennoch die Augen, wie nachhaltig diese kleine Entschei-dung („Emser Depesche“) Bismarcks die Welt verändert hat. Auch so, wie sie jetzt ist. Durch meine Arbeit möchte ich diese Entscheidung und deren Wichtigkeit für und Nachhaltigkeit auf die deutsche Geschichte verdeutlichen und näher ins Licht rücken.
Zudem bietet sich dieses Thema an, da hier ein Ansatz für durchaus plausible und realistische Spekulationen nicht unbedingt schwer fällt, nein, man kann sogar mehre-re Ansätze für solche Spekulationen finden, doch ich will nicht zu viel vorwegneh-men.



...in der nächsten Folge lesen Sie..."Die Darlegung der historischen Wirklichkeit" ^^

Gruß Majo :wink:
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Beitrag von Oberheereskommando »

freu mich schon auf die fortsetzung !!! :wink: das ist mal richtig interessant...

bin mal auf das ergebnis der arbeit gespannt !!



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Beitrag von Majo »

Okay, freut mich, dass es dir gefällt...als nächstes geht es mit dem eher, zumindest für manche, trockenen geschichtlichen Teil weiter..

Gruß Majo :wink:
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Beitrag von Oberheereskommando »

stimmt.... wenn meine ehemaligen lehrer das sehen könnten, dass ich mich mittlerweile für geschichte interessiere und sogar bücher "verschlinge"... die würden glatt zu rotieren anfangen... :lol: :lol:

aber inner schule is eben alles anders....



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Beitrag von Majo »

Hehe, in der Schule is allerdings alles anders...aber ich hab ja nur noch ne viertel Jahr 8) ....naja, ich mach ma weiter...

2.Hauptteil:

2.1. Darlegung der historischen Wirklichkeit:

2.1.1. Europa in den 1860er Jahren
Preußen: Wir schreiben das Jahr 1858. Wilhelm I., „Prinz von Preußen“ übernahm die preußische Regentschaft für seinen geistig erkrankten Bruder Friedrich Wilhelm IV. Er leitete ein liberale „Neue Ära“ ein, die mit der Entlassung des Ministeriums Manteuffel einherging. (1)
1860 führte eine Heeresreform den Bruch zwischen dem Regent und dem Abgeord-netenhaus herbei. Im Grunde waren sich alle 3 Seiten- der König, die Vertreter des preußischen Adels und die liberale Mehrheit der Abgeordneten des Landtages- einig. Preußen war in den letzten Jahren gegenüber seinen kontinentalen Gegenmächten Österreich und Frankreich militärisch ins Hintertreffen geraten. Besonders in Bezug auf Österreich konnte man einen solchen Rückstand nicht verantworten. Ein Punkt, der alle geschlossen zusammenstehen ließ. Das preußische Heer musste gestärkt werden, um ein Machtgleichgewicht in Europa wiederherzustellen. Folgende Pläne waren vorgesehen: Übernahme der jüngeren Jahrgänge der Landwehr in die regulä-re Reserve und Aufstellung zusätzlicher Regimenter, Erhöhung der Rekrutenzahl von 40000 auf 63000.
Als die Militärvorlage im Februar 1860 dem Abgeordnetenhaus vorgelegt wurde, ei-nige Volksvertreter den alten Streit um das Mitspracherecht der Volksvertretung in Militärangelegenheiten wieder neu belebten und die Regierung seine alleinige Amts-befugnis in Militärangelegenheiten deutlich machte, kam es zum Bruch zwischen dem König dem liberalen Abgeordnetenhaus.
Daraufhin forderte es eine genaue Auflistung des Wehretats, da das Abgeordneten-haus das Budgetrecht innehatte.
In dieser äußerst prekären Situation- er konnte seinen Vorschlag nicht so ohne wei-teres ohne Gesichtsverlust und zu starke Parlamentasierung der Krone zurückneh-men – berief Wilhelm I., seit dem Tod seines Bruders 1861 „König von Preußen“, ein Jahr später, am 23 September, Otto von Bismarck zum preußischen Ministerpräsi-denten und Außenminister. Bismarck, vorher Gesandter Preußens im Bundestag in Frankfurt, und Diplomat in St. Petersburg und Paris, erklärte sich bereit den Willen und die Pläne des Königs auch ohne Zustimmung der Volksvertreter durchsetzen zu wollen. Damit beendete der Monarch sein liberales Bestreben.
Bismarck regierte von nun an ohne das vom Abgeordnetenhaus verfassungsmäßig bewilligte Budget. (2)
Sein Durchsetzungsvermögen zeigte sich in seinem „Eisen und Blut –Konzept“ und er wusste, dass von seiner Leistung in diesem Punkt, seine politische Karriere ab-hing. (3, 4)



(1) Quelle 1, S. 214; Quelle 2, S.280; Quelle 3, S. 1116
(2) Quelle 1, S. 214-216; Quelle 2, S.298 ff; Quelle 3, S.1148/49, Quelle 4, S.552; Quelle 5, S.21
(3) Quelle 1, S. 223, M1
(4) …damit verbunden ist die Lückentheorie von Bismarck, die besagt, dass der König im Falle einer Uneinigkeit mit dem Parlament als Verfassungsgeber sozusagen das letzte Wort habe(Quelle 1, 216)
Setzte er sich durch, war er der Retter der Monarchie, versagte er, war sein politi-sches Aus, an die Regentschaft des Königs gebunden, nur eine Frage der Zeit.
Dieser Verfassungsstreit ging bis 1866 und während dieser Zeit kam es zu einer Zu-spitzung der Beziehungen zwischen Österreich und Preußen. Als 1863 Dänemark Schleswig- Holstein, das eigentlich der dänische König von Dänemark getrennt re-gieren sollte, da es Bestandteil des „Deutschen Bundes“ von 1815 war, annektierte und die deutsche Bevölkerung revoltierte, griffen Österreich und Preußen, als Vor-mächte im Deutschen Bund, in diesen Konflikt ein. Sie stellten Dänemark das Ultima-tum zur Wiederherstellung der vorigen Verhältnisse und schlugen 1864 gemeinsam die dänischen Truppen in Schleswig- Holstein, nachdem dieses Ultimatum zurück-gewiesen war. Im „Frieden von Wien“ 1864 wurde die Verwaltung dieser annektierten und wiedereroberten Territorien Dänemark entzogen und an Preußen und Österreich übertragen. Preußen gestärkt durch die Militärreform und die Vergrößerung des Ein-flussbereiches begann nun unter der Politik Bismarcks die systematische Isolierung Österreichs. Sowohl von der Isolation wie auch von der militärischen Stärkung Preu-ßens durch die Heeresreform, profitierte Bismarcks langfristiges Ziel: Die Hegemonie Preußens in Deutschland. Dies wurde Österreich schon früh deutlich und so versuch-te es alles, um dieses Hegemonialstreben Preußens zu unterbinden. (1)
Aufgrund von Differenzen über die Verwaltung der von beiden Staaten gemeinsam regierten Gebiete und einer Reform des Deutschen Bundes, einem Ergebnis des Wiener Kongresses von 1815, kam es zum Preußisch-Österreichischen Krieg 1866, dem „deutschen Bruderkrieg“. Hatte der dänische Feldzug 1864 10 Wochen gedau-ert , war der österreichische Feldzug nach nur 7 Wochen mit einem Sieg Preußens in der Schlacht bei Königgrätz beendet. Preußen konnte sich im Vorfeld die Unterstüt-zung Italiens und einiger norddeutscher Kleinstaaten sichern, Österreich konnte auf die Unterstützung aller süddeutscher Kleinstaaten und anderer deutscher Staaten setzen. Die übrigen europäischen Mächte verhielten sich neutral. Doch die leistungs-fähige preußische Armee, ein Werk des preußischen Kriegsministers Albrecht von Roon und mitunter auch Resultat der erzwungenen Heeresreform, führte Preußen in der Entscheidungsschlacht bei Königgrätz zu einem Sieg, über den ganz Europa staunte. Preußen gewann enorm an Einfluss. Durch den Frieden von Prag wurde der Deutsche Bund aufgelöst, Österreich aus der deutschen Politik ausgeschlossen, Schleswig-Holstein, Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt von Preußen an-nektiert, welches dadurch die politisch- militärische Führung in Deutschland über-nahm. Österreich musste die Provinz Venetien an Italien abgeben und verlagerte sein Zentrum mehr in den Osten. Die Donaumonarchie suchte 1867 den Ausgleich mit den Ungarn und errichtete eine Doppelmonarchie Österreich- Ungarn. Das inner-deutsche Machtgleichgewicht hatte sich zu Gunsten Preußens verschoben. Ein Mar-schall des französischen Kaisers Napoleon III. schien die kommende Katastrophe für Frankreich vorauszusehen: „Frankreich ist es, das in Sadowa (Königgrätz) geschla-gen worden ist.“ (2)
Nach dem Sieg über Österreich gewannen die National-Liberalen und die Konserva-tiven enorm an Stimmen, wohingegen die Fortschrittspartei und die Vertreter polni-scher und dänischer Minderheiten herbe Verluste verkraften mussten. Im gleichen Jahr noch wurde durch das preußische Abgeordnetenhaus eine von der Regierung erbetene Indemnität bewilligt, ein nachträgliche Bewilligung und Legitimation aller Ausgaben bezüglich der Heeresreform und der Kriegsausgaben. Der Verfassungs-streit, mittlerweile schon im sechsten Jahr, war damit beendet. (3)

(1) Quelle 1, S.216/17; Quelle 2, S. 305 ff; Quelle 3, S.1153-1156; Quelle 4, S.552/556, Quelle 5, S.19
(2) Quelle 1, S.218; Quelle 2, S.312-315; Quelle 3, S.1156 ff; Quelle 4, S.552/557; Quelle 5, S.19
(3) Quelle 1, S.219/220; Quelle 2, S.317/318; Quelle 3, S.1164;
1866 wurde auf Betreiben Bismarcks der „Norddeutsche Bund“ gegründet, eine wich-tige Wegstation zur deutschen Einheit. „22 nördlich der Mainlinie selbstständig ver-bliebene Staaten“ wurden zu Mitgliedern dieses Bundes, dessen Bundespräsident in erblicher Folge der preußische König sei. Bismarck überließ es den süddeutschen Kleinstaaten einen Süddeutschen Bund zu gründen, was Frankreich, welchem die preußische Majorität nicht geheuer war, befürwortet und auch gefördert hat, wozu es aber letztendlich aufgrund des fehlenden Einheitsgefühls nicht kam. Die süddeut-schen Kleinstaaten waren aber über ein Zollparlament und einen Zollbundesrat, im ganzen Deutscher Zollverein genannt, mit dem Norddeutschen Bund verknüpft. Ge-wählt wurde der Norddeutsche Reichstag 1867 in allgemeiner, gleicher und direkter Wahl. Bundeskanzler wurde Bismarck.
Bismarck, der sich die Neutralität Frankreichs im „Bruderkrieg“ mit Versprechungen von Gebietsabtretungen zusicherte, wollte von diesen vagen Zusicherungen nichts mehr wissen, als Napoleon III. Anspruch auf Rheinhessen mit Mainz als Zentrum und die bayerische Pfalz erhob. Lediglich Luxemburg sollte neutral werden.
Napoleon III. war über diese Entwicklung empört und sah nun, dass Preußen, das er bei seinem Aufstieg zur Großmacht sozusagen durch seine Neutralität noch unter-stützt hat, nun an Frankreichs Ostgrenze als großer einflussreicher Flächenstaat ihm gegenüberstand, formal war es der Norddeutsche Bund, aber es war unverkennbar, dass Preußen diesen Bund fast unumschränkt dominierte.
Bismarck, der auch gern die süddeutschen Kleinstaaten unter seine Fittiche geholt hätte, musste aber aufgrund antipreußischer und partikularistischer Bewegungen einsehen, dass eine Einigung mit dem Süden nicht durch Innenpolitik zu regeln sei. Nur ein Ereignis, dass das gesamte deutsche Volk mobilisieren würde, könnte durch den aufkeimenden Nationalstolz für Deutschland und dem damit verbundenen Ein-heitsgedanken eine Einigung zu einem gesamtdeutschen Bund erreichen. (1)
Das Problem war erkannt. Doch wie sollte man es lösen? Wie sagte Bismarck doch gleich ? „Als Staatsmann kann man nicht selber etwas schaffen. Man kann nur ab-warten bis man den Schritt Gottes durch die Ereignisse hallen hört; dann hervor-springen und den Zipfel seines Mantels fassen – das ist Alles.“ (2)

2.1.2. Die „Emser Depesche“

Es war im Jahre 1870 einer jener Schicksalssommer, wie auch die Sommer der Jah-re 1914 und 1939, in dem es so ruhig und unbesorgt in Europa schien, dass zu die-ser Zeit kaum jemand dachte, was für Unheil die kommenden Wochen und Monate brächten. Nur ein „kleines Wölkchen am Himmel“ war zu sehen, so klein, dass man es kaum beachtete. Seitdem der spanische Thron nach der Absetzung Isabellas II. fast zwei Jahre unbestiegen blieb, trug man die Kandidatur an Leopold von Hohen-zollern- Sigmaringen heran, einem Verwandten des preußischen Königs Wilhelms I.. Dieser musste als Familienoberhaupt zunächst seine Zustimmung geben, tat dies aber nur widerwillig und nur auf Drängen Bismarcks, der durch diese Kandidatur ver-suchte, die Franzosen geschickt zu provozieren. Die Reaktion Frankreichs kam prompt und plötzlich, wollte man doch nicht zwischen zwei von Hohenzollern regier-ten Staaten eingekesselt sein. Das Land war in Aufruhr. Man verlangte die sofortige Zurücknahme der Kandidatur. Aufgrund dieses Proteststurms der französischen Na-tion zog man die Kandidatur schnellstens wieder zurück.
Angestachelt durch die nicht aufhörend wollende Empörung in seinem Land und im enthusiastischen Siegestaumel, es den Deutschen gegeben zu haben, sandte Napo-leon III. seinen Botschafter Benedetti nach Bad Ems, wo Wilhelm I. zu dieser Zeit zur

(1) Quelle 1, S.218-21; Quelle 2, S.317ff, 328ff; Quelle 3, S.1162-1164; Quelle 4, S.557; Quelle 5,S.19
(2) Quelle 6, S. 237, siehe Anhang
Kur weilte. Er sollte die Forderung überbringen, dass Preußen für den Verzicht Leo-polds auf den spanischen Thron Garantien vergeben solle. Der Botschafter, sehr höf-lich von Wilhelm I. empfangen, verärgerte den König so sehr, dass dieser keine Ga-rantie geben wollte und verweigerte ihm die Audienz.
Wilhelm I., der wie alle deutschen Fürsten keinen Krieg anstrebte, ließ von Geheim-rat Abeken seinem Kanzler ein Telegramm über den Verlauf und den Ausgang der Audienz schicken. Dieses Telegramm wurde als „Emser Depesche“ bekannt: „Seine Majestät der König schreibt mir: „Graf Benedetti fing mich auf der Promenade ab, um auf zuletzt sehr zudringliche Art zu verlangen, ich sollte ihn autorisieren, sofort zu telegraphieren, dass ich für alle Zukunft mich verpflichtete, niemals wieder meine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Kandidatur zurückkämen. Ich wies ihn, zuletzt etwas ernst zurück, da man à tout jamais (Anmerkung: für alle Zu-kunft) dergleichen Engagements nicht nehmen dürfe noch könne. Natürlich sagte ich ihm, dass ich noch nichts erhalten hätte und, da er über Paris und Madrid früher be-nachrichtigt sei als ich, er wohl einsähe, dass mein Gouvernement wiederum außer Spiel sei.“ Seine Majestät hat seitdem ein Schreiben des Fürsten (Anmerkung: Fürst von Hohenzollern- Sigmaringen, Vater Prinz Leopolds) bekommen. Da Seine Majes-tät dem Grafen Benedetti gesagt, dass er Nachricht vom Fürsten erwarte, hat Al-lerhöchstderselbe, mit Rücksicht auf die obige Zumutung, auf des Grafen Eulenburg (Anmerkung: persönlicher Referent Wilhelms I.) und meinen Vortrag beschlossen, den Grafen Benedetti nicht mehr zu empfangen, sondern ihm nur durch seinen Adju-tanten sagen zu lassen, dass Seine Majestät jetzt vom Fürsten die Bestätigung der Nachricht erhalten, die Benedetti aus Paris schon gehabt, und dem Botschafter nichts weiter zu sagen habe. Seine Majestät stellte Ew. Exzellenz anheim, ob nicht die neue Forderung Benedettis und ihre Zurückweisung sogleich sowohl unserem Gesandten als in der Presse mitgeteilt werden sollte.“ (2)
Bismarck las die Zeilen, die ihm der König schrieb und hörte wohl den „Schritt Gottes und ergriff den Zipfel seines Mantels“. Er kürzte das Telegramm, verschärfte dadurch den Ton des Telegramms und gab es so geändert an die Presse weiter: „Nachdem die Nachrichten von der Entsagung des Erbprinzen von Hohenzollern der Kaiserlich französischen Regierung von der Königlich spanischen amtlich mitgeteilt worden sind, hat der französische Botschafter in Ems an Seine Majestät den König noch die Forderung gestellt, ihn zu autorisieren, dass er nach Paris telegraphiere, dass Seine Majestät der König sich für alle Zukunft verpflichte, niemals wieder seine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Kandidatur zurückkommen sollten. Seine Majestät hat er darauf abgelehnt, den französischen Botschafter nochmals zu emp-fangen, und demselben durch den Adjutanten vom Dienst sagen zu lassen, dass Seine Majestät dem Botschafter nichts weiter mitzuteilen habe.“ (2)
Die „Emser Depesche“, durch Übersetzungsfehler ins Französische noch weiter ent-stellt, empörte die kriegssüchtige und fanatisierte Meute. Alles schrie nach Krieg
Als Napoleon III. das nicht mehr „jungfräuliche“ Manuskript las, sah er, angestachelt durch die Massen, seine abenteuerlustige Gemahlin und eine mit schrillen Ton pfei-fende Presse, den Zeitpunkt gekommen, auf den er lange gewartet hatte. Ein Kriegsgrund gegen Preußen. Aber ein schlechter Kriegsgrund. Europa schaute mit Unverständnis auf die Kriegserklärung Frankreichs, dessen Grund nur an einer Fra-ge der Etikette herbeigezogen war. Frankreich stand allein. Die süddeutschen Klein-staaten griffen dem Militärbündnis von 1867 gemäß â€“ die deutschen Staaten ver-pflichteten sich gemeinsam Krieg zu führen, falls irgendein Staat durch eine dritte Macht bedroht wird - auf Seiten Preußens in den Krieg ein (1)

(1)Quelle 1, S.221; Quelle 2, S.334-337; Quelle 3, S.1177-1179; Quelle 4, S.557/58; Quelle 5, S.19
Quelle 6,S.231-238, siehe Anhang, gekennzeichnete Stellen
(2) beide Zitate, Quelle 1, S.228, M4



...weiter gehts morgen mit "2.3. Der Deutsch-Französische Krieg" und "2.4. Die Reichsproklamation "...

Gruß Majo :wink:
Aus der Geschichte der Völker lernt man,dass die Völker aus der Geschichte nichts gelernt haben!
...mit jeder Sekunde, die vergeht, erhöht sich die Dummheit in diesem Land!!
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Majo
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Beitrag von Majo »

Hallo, sry für die lange Pause, dafür heute umso mehr...

2.1.3. Der „Deutsch-Französische Krieg“

So kämpfte das deutsche Volk unter Preußens Führung gegen Frankreich. Der „Ca-sus belli“ hätte von Bismarck nicht besser inszeniert werden können.
Geblendet von dem diplomatischen Sieg bei der Thronfolge Spaniens, drängte auch die französische Generalität auf den Krieg hin und versprach, die Armee sei „perfekt ausgerüstet, bis zum letzten Gamaschenknopf“. Die Aussage war nicht nur wahnwit-zig, sondern fast schon komisch. Tatsächlich hatte die Armee Gamaschen nirgendwo auf Lager!
Als am 19. Juli die Kriegserklärung Frankreichs offiziell übermittelt wurde, war das französische Heer in einem fast schon desolaten Zustand. Wegen des heißen Som-mers und dem daraus resultierenden Futtermangel hatte das Militär ein Teil der Pfer-de verkauft. Der französische Plan mit 150000 Mann über Metz und 100000 Mann in Süddeutschland einzufallen und die dortigen Kleinstaaten zur Aufgabe zu zwingen scheiterte schon allein an der sich hinschleppenden Mobilisierung der französischen Truppen.
Die Preußen waren stark wie eh und je und führten mit ihren deutschen Verbündeten die für damalige Verhältnisse unvorstellbare Zahl von 1,183 Millionen Mann ins Feld. An ihrer Spitze, wohl einer der strategisch und taktisch besten Köpfe seiner Zeit. Ein herausragender militärischer Fachmann. General von Moltke, seinerzeit als Chef des Generalstabs der Armee war er in der militärischen Verantwortlichkeit sogar höher einzustufen als der König als Oberbefehlshaber.
„So stolperte Frankreich durch eine tragische Kombination von Pech, Dummheit und Ignoranz in den Krieg mit der größten Militärmacht, die Europa je gesehen je gese-hen hatte- mit schlechtem Grund, einer unvorbereiteten Armee und ohne Verbünde-te.“ (2)
Verstärkt durch die süddeutschen Staaten war der Sieg aufgrund der strategischen sowie der quantitativen und militärtechnischen, später auch der moralischen Überle-genheit nur eine Frage der Zeit. Zwar hatten die französischen Truppen mit dem Chassepotgewehr eine doppelt so hohe Reichweite wie das deutsche Zündnadelge-wehr, doch wurde dies ausgeglichen durch die Überlegenheit des preußischen Stahl- Hinterladergeschützes zum französischen Bronze- Vorderladergeschütz.
Nach mehreren Monaten heftigster Kämpfe in Elsass und Lothringen musste sich die französische Armee dem überlegenen Feind geschlagen geben. Napoleon III. selbst wurde in Sedan mit seiner Armee eingeschlossen und kapitulierte am 2. September 1870.
Das Kaisertum in Frankreich war nun endgültig beendet. In Paris wurde die 3. Repu-blik ausgerufen, die nach der Forderung Bismarcks nach dem deutschsprachigen Teil Elsass- Lothringens dem Sieger über das Kaiserreich Frankreich ebenfalls auf leichtsinnige Weise den Krieg erklärte. Dieser endete nach vorangegangener Bela-gerung von Paris am 28. Januar 1871.
Die Friedensbedingungen, die das neue Deutsche Reich im Frankfurter Friedensver-trag(10.5. 1871)stellte, waren hart: 5 Milliarden Goldfranken ( Franc )mussten an das deutsche Reich an Kriegsentschädigung gezahlt werden. Hinzukommend verlor Frankreich zwei seiner profitabelsten Provinzen, Elsass und Lothringen. Der Konflikt für die kommende Zeit zwischen Frankreich und Deutschland war vorherbestimmt. Es sollte noch fast ein Jahrhundert dauern bis mit Adenauer und de Gaulle die Spannungen zwischen diesen beiden Staaten endgültig beigelegt wurden.



(1)Quelle 1, S.221/22; Quelle 2, S.336-341; Quelle 3, S.1179-1184, Quelle 4, S.558, Quelle 5, S.19;
Quelle 6, S.238-240; Quelle 7, S.192- 194(2)Quelle 6, S.239; Zitat von Sir Michael Howard
2.1.4. Die Reichsproklamation

Im Angesicht des Sieges wollte Bismarck die im Krieg sich vollzogene Annäherung des deutschen Volkes untereinander nutzen und die einzelnen deutschen souverä-nen Staaten zu einem Staat zusammenfügen. Er ließ von einem seiner engsten Mit-arbeiter, Rudolf von Delbrück, eine Verfassung ausarbeiten, die die Neuordnung des neuen „Deutschen Reiches“ vorsah, unter der Führung Preußens und der Abtretung bestimmter Landesrechte zugunsten des Bundes(„kleindeutsche Lösung“). Doch ausgerechnet Wilhelm I., König von Preußen und deutscher Kaiser in spe war mit dieser Verfassung noch nicht ganz einverstanden. Der Kaisertitel erinnerte den Pro-testanten zunächst zu sehr an das streng katholische Heilige Römische Reich. Doch er gab nach. Einzige Hürde, die noch überwunden werden musste, war die Zustim-mung der süddeutschen Kleinstaaten, die um ihre Souveränität fürchteten – nicht ganz zu Unrecht. Am hartnäckigsten zeigte sich zunächst Württemberg, weshalb Bismarck sich zunächst dem Württemberg an Widerspenstigkeit wenig nachstehen-den Bayern widmete. Doch Ludwig II., König von Bayern war mehr Kunstfreund als Staatsmann. Letztendlich, in dem Wissen, dass er dem Nationalgefühl des deut-schen Volkes wenig entgegen zu werfen habe, versuchte er noch so viele Sonder-rechte wie möglich für seine Zustimmung zu erhalten. Unter anderem behielt Bayern das Recht, eigenständige diplomatische Vertretungen zu unterhalten, eigene Münzen zu prägen und die Militärhoheit im Land auszuüben. Sonderrechte im Post- und Ver-kehrswesen ( Eisenbahn )wurden zugesprochen. Württemberg erhielt ähnliche Son-derrechte, die als Anhängsel an die Verfassung des Norddeutschen Bundes quasi die neue Reichsverfassung darstellten – ein Werk Bismarcks. Alle Interessen waren mehr oder weniger unter einen Hut gebracht. Die Zeremonie konnte beginnen.
Am 18. Januar, einem historischen Tag, –am 18. Januar 1701 wurde Friedrich I. in Königsberg zum ersten preußischen König gekrönt, eine Demonstration der Hohen-zollern an die Welt, 170 Jahre von der Herrscherfamilie eines Kleinstaates zur mäch-tigsten Familie Europas- wurde Wilhelm I. im Spiegelsaal von Versailles zum Deut-schen Kaiser proklamiert. Es war keine Kaiserkrönung, nur eine Proklamation. Bis auf Ludwig II. waren alle wichtigen Monarchen Deutschlands anwesend. Nach einer kurzen Ansprach Wilhelms I. ließ Bismarck die Worte zur Kaiserproklamation verlau-ten:„ …Demgemäß werden Wir und unsere Nachfolger an der Krone Preußens fortan den Kaiserlichen Titel in allen unseren Beziehungen und Angelegenheiten des Deut-schen Reiches führen und hoffen zu Gott, dass es der Deutschen Nation gegeben sein werde, unter dem Wahrzeichen ihrer alten Herrlichkeit das Vaterland einer se-gensreichen Zukunft entgegenzuführen. Wir übernehmen die Kaiserliche Würde in dem Bewusstsein der Pflicht, in deutscher Treue die Rechte des Reichs und seiner Glieder zu schützen, den Frieden zu wahren, die Unabhängigkeit Deutschlands, ge-stützt auf die geeinte Kraft seines Volkes zu verteidigen…“ Lauter Beifall erhob sich im Saal, und unter Trompetenklängen und dem Säbelrasseln der Soldaten verließ der preußische König den Saal als Deutscher Kaiser.
Doch mit der Geburtsstunde dieses neuen Deutschen Reiches war ein Konflikt mit Frankreich in der Zukunft geradezu prädestiniert. Die Kaiserproklamation, vor der Kulisse des Versailler Schlosses, in Glanzzeiten unter König Ludwig XIV. erbaut, war eine Demütigung des französischen Patriotismus und nährte den Hass am deut-schen Volk. Das Säbelrasseln, die Trommelwirbel, allgemein das militärische Ambi-ente spiegelten das Bild eines Deutschland wieder, das noch kommen würde: milita-ristisch, imperialistisch, nationalistisch. Die Form der Umsetzung dieses durchaus großen und edlen Anliegens am deutschen Volk, die Vereinigung zu einem Reich, ließ eine verdorbene Frucht gedeihen, die 40 Jahre später geerntet werden sollte.(1)
(1)Quelle 1, S.222/23/29; Quelle 2, 341-343; Quelle 3, S.1181/82; Quelle 4, S.555-59; Quelle5, S.19/
S.20, Text 24;Quelle 6, S.240
2.1.5. Konsequenzen in der Folgezeit

Die Konsequenzen dieses Ereignisses jedoch konnten damals nur wenige, wenn ü-berhaupt nur erahnen. Die Deutschen dachten doch damals im Taumel des Sieges über Frankreich, den Erbfeind aus alten Zeiten – die Spannungen kann man bis auf wenige Unterbrechungen bis auf die Erbschaft Karls des Großen zurückführen-(1) nicht im Entferntesten daran, dass ein Frankreich das hochmilitaristische Deutsch-land zu bezwingen vermochte und Bismarck glaubte wohl auch kaum, dass sich Russland oder England sich gegen das Deutsche Reich erheben würde, wenn es auch durchaus vereinzelte Ungereimtheiten zur Zeit Bismarcks gab, die aber wohl kaum als Kriegsgrund hätten fungieren können. (2)
Um aber speziell auf mein Thema zurückzukommen. Ich möchte die Notwendigkeit dieses geschichtlichen Großereignisses für die geschehene Folgezeit und die Wich-tigkeit der Diskussion über dieses Thema vor Augen führen.
Nicht viele Ereignisse haben das politische Aussehen Europas des 19. Jahrhunderts so nachhaltig beeinflusst, wie der Deutsch- Französische Krieg und seine Folgen. Ich denke an nur ein weiteres Ereignis, was so großen Einfluss auf die internationalen Beziehungen in seiner Folgezeit hatte, wie der Konflikt von 1870/71. Diesem Ereignis ordne ich den Begriff „Napoleonische Kriege und Wiener Kongress (1815)“ zu. Es gab durchaus andere Großereignisse im gesellschaftlichen, technischen, wirtschaftli-chen und auch politischen Bereich, die seiner Zeit seinesgleichen suchte. Doch sie waren vor allem was das Politische betrifft eher regional- nationale Entwicklungen, weniger international, sodass sie hier kaum einer Erwähnung bedürfen.
Ich lenke meine Aufmerksamkeit also auf die internationalen politischen Entwicklun-gen jener Folgezeit, um aufzuzeigen, wie nachhaltig diese geschehene Politik als Folge dieses Krieges ihre Zeit verändert hat.
Fangen wir also an: Bismarck, der einem Wiederaufrüsten Frankreichs nicht ganz unbegründet kritisch gegenüberstand, vor einem Präventivkrieg, der durchaus ins Auge gefasst war und zur „Krieg- in- Sicht- Krise“(1875) führte, aber zurückschreckte,
versuchte nun auf diplomatisch- politischem Weg, Frankreich politisch zu isolieren und Deutschland mit den anderen Großmächten Europas durch Verteidigungsbünd-nisse auf seine Seite zu ziehen, oder wenigstens nicht auf die Seite Frankreichs. Er suchte das Heil Deutschlands darin den „Status quo“ zu erhalten und bezeichnete Deutschland als „saturiert“. Stets wies er auch aufkeimende Bestrebungen und For-derungen nationalistischer Bewegungen, Gebiete durch Krieg zu erwerben, zurück. Es war nun eine gemäßigte Außenpolitik und Bismarck wurde nicht umsonst als „Weichensteller der europäischen Politik“ statuiert und karikiert. Auch wurde er als der führende Diplomat Europas anerkannt und nicht ohne Grund suchte man seine Vermittlung bei verschiedenen Konflikten: So 1878 bei der Balkankrise zwischen der Türkei und den Balkanstaaten, als Bismarck in Berlin den Vorsitz vor anderen euro-päischen Vermittlern hatte, oder 1884/1885, als die Grenzen der Kolonien in Zentral-afrika festgelegt werden sollten, ebenfalls in Berlin. Auch bei einem Konflikt um nord-afrikanische Gebiete zwischen Italien und Frankreich(!) zu Beginn der achtziger Jah-re wurde er um Rat gefragt. Bismarck genoss Ansehen und Respekt und mehrte so Deutschlands außenpolitischen Einfluss. Niemand hätte wohl zu dieser Zeit gewagt, ein solches Deutschland politisch oder militärisch anzugreifen. (3)

(1) Das Frankenreich Karls des Großen wurde nach der Absetzung seines Sohnes Ludwig I. in 3. Teilreiche auf seine Enkel aufgeteilt. Während das Mittlere der drei in die beiden Anderen aufging, konnten sich die anderen beiden behaupten und wurden somit zur Grundlage eines französischen und eines deutschen Staates. In der Nachfolge beanspruchten nun beide Nationen Karl den Großen als „Stammvater“.
(2) Näheres dazu im Textverlauf.
(3) Quelle 1, S.246/247; Quelle 3, S.1236/1238; Quelle 4, S.560/561
Um Deutschlands Einfluss und Sicherheit aber auch langfristig zu gewährleisten kommt 1873 der Dreikaiserbund zwischen Deutschland, Österreich- Ungarn und Russland zustande. Er sollte eine russisch- österreichische Annäherung zum Ziel haben, doch zerbrach er an den Konflikten der Jahre 1876 – 1878 im Balkangebiet, wo es zu Spannungen zwischen Österreich- Ungarn und Russland kam. Folge dieser Orientkrise war der bereits erwähnte „Berliner Kongress“ (1878), in dem Bismarck als Vermittler zwischen Österreich- Ungarn und Russland fungierte. Die Hoffnung Russ-lands, welches sich aufgrund seiner wohlwollenden Neutralität in den Kriegen der Jahre 1866 und 1870 zugunsten Preußens herausgehalten hatte, wurde bitter ent-täuscht, da es sich die Unterstützung Deutschland in der Orientkrise erhofft hatte. Was herauskam, war im Grunde ein Ausgleich, der aber die russischen Forderungen nicht zu erfüllen schien. Auch die Schutzzollpolitik des Deutschen Reiches führte aufgrund einer Absatzkrise im exportorientierten Russland zu einer Auseinanderdrif-tung Deutschland und Russlands.
Bismarck, der eine Annäherung einer der beiden Staaten an Frankreich durch eine Bevorzugung des anderen oder einer Benachteiligung verhindern wollte, entschied sich letztendlich doch sich zunächst zugunsten einer Seite zu entscheiden. So kam 1879 der Zweibund mit Österreich- Ungarn zustande. Er war ein Defensivbündnis gegen Russland und Frankreich. Man sicherte sich die gegenseitige Unterstützung bei einem Angriff Russlands auf Deutschland oder eher wahrscheinlich auf Öster-reich zu. Bei einem Angriff eines anderen Staates, etwa bei einem Angriff Frank-reichs auf Deutschland, sollte wohlwollende Neutralität gewahrt werden.
Doch diese Annäherung entsprach nicht dem bismarckschen Verständnis des Siche-rung Deutschlands. Er befürchtete immer noch zu sehr ein französisch- russisches Bündnis, welches Deutschland praktisch in die Zange nehmen würde.
Es konnte eine vorübergehende Annäherung zwischen Österreich- Ungarn und Russland gefunden werden, die im Dreikaiserbündnis 1881 mündete, welches aller-dings an ähnlichen Gründen, wie der Dreikaiserbund von 1873 scheiterte und nicht mehr erneuert wurde.
Das Dreikaiserbündnis versicherte die gegenseitige Neutralität beim Angriff einer 4. Macht auf einen dieser Staaten. So konnte Bismarck fast sicher gehen, dass bei ei-nem etwaigen Angriff Deutschland an seiner Ostgrenze von Österreich- Ungarn und Russland als neutrale Mächte nichts zu befürchten hätte. Der Vertrag war aus der Sicht Bismarcks eindeutig gegen Frankreich gerichtet. Aber auch Russland konnte sich bei einem Krieg gegen England, welche schon mal einen Krieg in den 1850er hatten (Krimkrise) (1), sich der Neutralität der beiden Großmächte Deutschland und Österreich- Ungarn an ihrer Westgrenze sicher sein.
1882 erweiterte Italien den Zweibund zum Dreibund, indem sich die drei Bündnis-partner in einem Zusatz verpflichteten, im Falle eines französischen Angriffes auf einen der drei Bündnispartner, wahrscheinlich wäre Deutschland und Italien, diesen zu unterstützen.
Ein weiterer Defensivvertrag gegen Russland wurde 1883 zwischen Österreich- Un-garn und Rumänien geschlossen. Deutschland schloss sich kurz darauf diesem Ver-trag an. (2)
Nach dem Scheitern des Dreikaiserbündnisses versuchte Bismarck mit Russland ein Bündnis zu schließen, um den antideutschen Parolen und das Fordern russischer Agitatoren nach einem russisch- französischen Bündnis in Russland den Wind aus den Segeln zu nehmen. Folge dieser bismarckschen Annäherungspolitik war der Rückversicherungsvertrag aus dem Jahr 1887, der für 3 Jahre befristet war.

(1) Krimkrieg 1853-56: nach Scheitern einer Vermittlungsaktion der Großmächte zw. Russland und der osmanischen Regierung kommt es zu einem erfolgreichen franz.-brit. Einschreiten gegen Russland.
(2) Quelle 1, S.248/249; Quelle 3, S.1239/1240; Quelle 4, S.560/561; Quelle 5
Inhalt dieses Vertrages war, dass sich beide Staaten verpflichteten, dass die Neutra-lität gewahrt bleibe, wenn sich einer der beiden Mächte im Krieg mit einer dritten Großmacht befände. Falls jedoch Deutschland Frankreich oder Russland Österreich- Ungarn angreifen sollte, waren die Vertragspartner nicht mehr an den Vertrag ge-bunden. Ziel war es Russland klarzumachen, dass es vor einem deutsch- österrei-chisch- ungarischen Agressivbündnisses nichts zu befürchten habe. Zudem ging es, wie schon angesprochen darum, Russland von einem russisch- französischen Bünd-nis abzuhalten. Ein geheimes offensives Zusatzprotokoll sicherte Russland die wohlwollende Neutralität Deutschlands bei „aktiver Meerengenpolitik“ zu.(1)
Die Politik Bismarcks ging auf. Frankreich war von dem wahrscheinlich gefährlichsten möglichen Verbündeten isoliert. Deutschland war aufgrund des Dreibundes und des Rückversicherungsvertrages gegen Frankreich abgesichert. Dadurch war Deutsch-land, sofern es nicht selbst einen Krieg gegen Frankreich anzettelte, den Bismarck unter keinen Umständen während seiner Amtszeit zugelassen hätte, vor einem Zwei-frontenkrieg sicher. Es hätte nur aus eigener Kraft verlieren können, nicht aber auf-grund einer feindlichen Überlegenheit. (2)
Doch mit dem Tod Kaiser Wilhelms I. im Jahre 1888, er starb im stolzen Alter von 91 Jahren, neigte sich auch die Zeit seines Kanzlers dem Ende. Kaiser Wilhelms I. Thronerbe war sein Sohn Kaiser Friedrich III. Dieser, ein eher liberaler Kaiser stützt sich weiter ganz auf die Politik und das Geschick Bismarcks. Doch seine Amtszeit soll nur kurz sein. Nach 99 Regierungstagen stirbt Friedrich III. 57- jährig an einem nicht rechtzeitig operierten Kehlkopfleiden. Mit ihm starb die Generation, die wohl noch am ehesten die Verdienste Bismarcks für Preußen und später für das Deutsche Reich anerkannten und ehrfürchtig zu diesem aufblickten. Bismarck, der „Eiserne Kanzler“, stand nun einem Vertreter der Generation gegenüber, die seine Glanzzei-ten nur im zarten Jugendalter miterlebten und seine Politik, die in der Zeit nach dem Krieg 1870/71 eher gemäßigt und weniger nationalistisch war, begeistert von dem deutschen Nationalgedanken, nicht mit dem nötigen Verständnis auffassten. Wilhelm II. Sohn und Thronerbe (1859 – 1941) Kaiser Friedrichs III. bestieg als nicht ganz 30-Jähriger den Thron des Deutschen Reiches. Wilhelm II., der Bismarck anfangs Be-wunderung entgegenbrachte, hatte nach mehreren Plänkeleien nicht mehr viel für den „alten Lotsen“ übrig. Der Alterunterschied und die unterschiedlichen Auffassun-gen über die Innen- und Außenpolitik ließen den Konflikt zwischen der „alten“ und der „jungen“ Generation immer mehr verschärfen. Bismarck ein ausgesprochener „Russenfreund“(3), sah immer mehr, dass der Kaiser sich von Russland distanzieren wollte. Der Konflikt zwischen Kaiser und Kanzler brach offen aus, als der Kanzler das sozialpolitische Programm des Kaisers ablehnte und Wilhelm II. die Verlängerung der Sozialistengesetze, einst von Bismarck eingeführt, zurückwies.
Das persönliche Verhältnis zwischen Bismarck und dem Kaiser war kaum mehr trag-bar. Bismarck hatte schon früher nicht viel von Wilhelms politischen Qualitäten gehal-ten und die Entlassung Bismarcks war nunmehr nur noch eine Frage der Zeit. (4)



(1)“aktive Meerengenpolitik“: gemeint sind die Meerengen, die zum Schwarzen Meer führen, also die Dardanellen bzw. der Bosporus. Russland erstrebte nämlich einen direkten Zugang zum Mittelmeer, woraufhin England um seine Vormachtstellung im Mittelmeer besorgt war und diese Politik einzu-dämmen versuchte, unter anderem durch die Unterstützung des Osmanischen Reiches.
(2)Quelle 1, S.249-252; Quelle 3, S.1245; Quelle 4, S.560/561
(3)Bismarck betonte immer wieder, dass das Verhältnis zu Russland entscheidend für die deutsche Außenpolitik sei, da man an diesem Verhältnis festmachen, ob Deutschland im Kriegsfalle zwei Fron-ten haben würde oder nur eine, nämlich die französische- oder, noch vor der Reichsgründung, die österreichische.
(4)Quelle 1, S.252; Quelle 3, S.1244-1248; Quelle 4, S.560/561/584
Als am 20. März 1890 Bismarck entlassen wurde, - um genau zu sein war es ein er-zwungener Rücktritt- hinterließ er seinen Nachfolgern ein schweres Erbe. Zu sehr war die Außenpolitik des Reiches auf Bismarcks Person fokussiert gewesen. Sein Nachfolger im Kanzleramt, Leo von Caprivi, ein durchaus intelligenter Mann kam an die politische Begabung und die diplomatischen Feinsinn Bismarcks nicht heran.
So konnte der Rückversicherungsvertrag mit Russland, der kurz nach der Entlassung Bismarcks ablief, nicht erneuert werden. Wilhelm II., von vornherein dem Russischen Reich misstrauisch begegnend, wandte sich von diesem ab und bemühte sich auch in der Folgezeit nicht um Verständigung. Vielmehr suchte er in England einen Ver-bündeten zu finden.
Die Annäherung gelang mit dem Austausch der deutschen Provinz Sansibar mit dem britischen Helgoland. Doch war dies kein wirklicher Erfolg der neuen Außenpolitik des jungen Kaisers, hatte doch Bismarck schon diesen Vertrag in die Wege geleitet.

Es vollzog sich als Folge der Thronbesteigung Wilhelms II. eine vollkommene innen- sowie außenpolitische Umwälzung im Reich. Wäre sie erfolgreicher gewesen, hätte man es fast als normal empfunden, dass Bismarck entlassen worden war. Doch Wil-helm II. und seine Politik waren nicht erfolgreich und überzeugend genug und so verband man mit der Entlassung Bismarcks den „geschichtlichen Wendepunkt, den Anfang des Zusammenbruchs, die Herausforderung an das Schicksal“. (1) Seite 1253 )
In den Mittelpunkt der „wilhelminischen“ Außenpolitik rückte der Imperialismus nach englischem Vorbild. Die vorhandenen Kolonien sollten ausgebaut und neue Kolonien erworben werden. Man verlangte einen „Platz an der Sonne“, ohne jemanden „in den Schatten stellen“ zu wollen, so der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Bernhard von Bülow im Dezember 1897 im Reichstag.
Der Kaiser wollte Deutschland zu Ruhm und Ehren führen, ihm überseeische Besit-zungen einbringen, die Deutschland zu einem reichen Land hätten machen sollen. Tatsächlich wurde Deutschland auch hoch technisiert und ein sehr wohlhabendes Land. Doch für welchen Preis? Das Erbe Bismarcks, der es so glänzend verstanden hat, Deutschland als „saturierten“ Staat zu deklarieren und jeglichen imperialistischen Gedanken zu verdrängen, womit er das Ansehen des Reiches stärkte und den Frie-den in Europa durch das neue Gleichgewicht und seine auf Ausgleich und Verstän-digung ausgerichtete Außenpolitik nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 für Jahrzehnte sichern konnte, trotz der großen Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich und zwischen Russland und Österreich- Ungarn, dieses Erbe wurde nun in fast schon leichtsinnigen und daherpolternden Aktionen aufgrund des Mangels an außenpolitisch- diplomatischem Feingefühl zunichte gemacht.
Kernpunkte dieser außenpolitischen Desaster waren das Verhältnis zu England und die Abkehr von Russland. Folge dieser Abkehr war der von Bismarck schon lang be-fürchtete Zweibund zwischen Frankreich und Russland. Damit wäre Deutschland im Falle eines Krieges mit einem dieser beiden Staaten wahrscheinlich in einen Zwei-frontenkrieg geraten. Nun war für Deutschland im Grunde klar, dass es sein Heil in England und dem noch bestehenden Dreibund mit Österreich- Ungarn und Italien suchen musste. Aufgrund dieser starken Koalitionen und der überzeugenden deut-schen Militärmacht brauchte es nun keinen Zweifrontenkrieg zu fürchten. Vorraus-setzung wäre aber die Neutralität Englands gewesen, wenn nicht sogar dessen Un-terstützung aufgrund guter Beziehungen. Doch das Verhältnis Englands zu einem solchen Konflikt stand noch in Sternen, da es in der Vergangenheit keine bindenden militärischen Verträge geschlossen hatte, weise genug seine absolute Vormachtstel-lung auf den Weltmeeren nicht durch ein solches Bündnis einzuschränken.

(1)Quelle 3, S.1253
Um das außereuropäische Großmachtstreben des Kaisers, wobei nicht nur der Kai-ser so gesinnt war, sondern auch viele Deutsche, zu unterstreichen, wurde seit 1898 die deutsche Flotte nach und nach durch Flottengesetzte unter Alfred Tirpitz, dem Staatssekretär des Reichsmarineamtes, vergrößert(1898, 1900, 1906, 1908, 1912), um so auch die überseeischen Besitzungen zu versorgen bzw. verteidigen zu kön-nen. Der Flottenbau boomte und der Kaiser proklamierte: „Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser.“ In fast schon ironischer Weise sollte er Recht haben, doch dazu spä-ter. Die deutsche Flotte wurde zur zweitgrößten der Welt aufgebaut und die Marine mit dem „Deutschen Flottenverband“ als Aushängeschild erfreute sich höchster Po-pularität beim Volk und nicht zuletzt bei dem schiffsbegeisterten Kaiser. Ironischer-weise ging die Revolte von 1918 ausgerechnet von Matrosen in Kiel aus und setzten somit den Grundstein für das Ende der Monarchie in Deutschland.
Doch dieses Flottenrüsten Deutschlands musste zwangsläufig England auf den Plan rufen. England, seit Jahrhunderten Herren der Meere konnten nicht tatenlos zuse-hen, wie praktisch vor ihrer Haustür eine Flotte gerüstet wird, die in absehbarer Zeit ihrer eigenen Konkurrenz machen würde. Seit 1889 bestand in England der Grund-satz, dass England mindestens eine so große Flotte besitzen müsse, wie die beiden nächstgrößten Flotten zusammen. Durch das zweite Flottengesetz von 1900 wurde von Tirpitz festgesetzt, dass die deutsche Flotte so groß sein müsse, dass ein Angriff auf sie ein zu großes Risiko darstelle („Risikogedanke“). Damit war dem Flottenwett-rüsten zwischen England und Deutschland ein nicht absehbares Ende beschert. Das Verhältnis zu England verschlechterte sich dadurch radikal. An ein Bündnis zwischen diesen beiden Staaten war nun fast nicht mehr zu denken, die „Zukunft auf dem Wasser“ glich dem letzten Schritt zu einer Isolation Deutschlands.
Auch die Vermutung Deutschlands, dass England und Russland aufgrund früherer Konflikte (Krimkrieg) und England und Frankreich aufgrund der kolonialpolitischen Differenzen nicht Bündnisse eingehen würden, die Deutschland gefährden könnten, war zu blauäugig und die daraus folgende Falschauslegung der Situation, in der sich Deutschland befand, führten zu einer fast schon diplomatischen Isolation Deutsch-lands in Europa, lediglich Österreich- Ungarn, war durch Bündnisse mit Deutschland noch verknüpft, was sich auch nicht ändern sollte. Wie sich später herausstellen soll-te war dies das Todesurteil des Deutschen Reich. Die Isolation vollzog sich anhand verschiedener Bündnisse, bekannt geworden unter der Bezeichnung „Entente cordia-le“ (1) zwischen England und Frankreich 1904 geschlossen und 1907 durch Russ-land erweitert. Gestärkt wurde dieses Bündnis noch zusätzlich durch das starke En-gagement Wilhelms II. im Vorderen Orient zugunsten des Osmanischen Reiches, welches schon früher im Konflikt mit Russland und England war. England sah durch den geplanten Bau einer Berlin-Bagdad- Bahn seine Besitzungen in Ägypten und Indien bedroht und Russland seine Bestrebungen im ostanatolischen Raum gefähr-det. Zudem machte sich Deutschland dadurch auf dem Balkan unbeliebt, da die dor-tigen Staaten von einem zerfallenden Osmanischen Reich profitieren wollten. Doch Deutschland unterstützt diesen „alten Mann am Bosporus“, womit die Bestrebungen der Balkanstaaten und der Griechen Gebietsgewinne auf Kosten des Osmanischen Reiches verzeichnen zu können, erschwert wurden. Die Spannungen zwischen den „Mittelmächten“, Österreich- Ungarn und Deutschland, sowie dem Osmanischen Reich und der „Entente“ wurden durch den Interessenkonflikt zwischen Österreich- Ungarn auf dem Balkan und der selbsternannten Schutzmacht Russland bis aufs höchste getrieben. Doch noch war niemand kriegbereit, solange kein guter Grund dafür vorliege.



(1) franz.: herzliches Einvernehmen
Es wurde das Hochrüsten zu einem Krieg, der fast schon beschlossene Sache war. Denn Ursache dafür war nicht mehr umzukehren. Doch war er wirklich unausweich-lich? Vielleicht, die Frage soll zu einem anderen Zeitpunkt beantwortet werden.
Es sollten noch weitere Ereignisse folgen, die zwar nicht das Fass zum überlaufen brachten, aber dennoch die späteren Frontlinien umso deutlicher vorherzeichneten. Zwei Marokkokrisen, die Erste 1905/1906 und die Zweite 1911, in denen Deutsch-land sich ganz energisch gegen die Annexion des formal souveränen Marokkos durch Frankreich, außenpolitisch unterstützt durch England, aussprach und 1911 ein Kanonenboot mit dem Namen „Panther“ als Drohgebärde nach Agadir entsandte. Zwar wurde durch einen Ausgleich, Deutschland erhielt für das Akzeptieren der fran-zösischen Annexion französische Kolonien in Westafrika, ein größerer Konflikt ver-hindert, doch ließ es die beiden Bündnispartner England und Frankreich enger zu-sammenwachsen. Im militärisch selbstbewussten Deutschland wurde dieser friedli-che Landgewinn als diplomatischer Sieg gefeiert und als „Panthersprung nach Aga-dir“ in der Presse aufgebauscht und in der Öffentlichkeit gefeiert.
Doch schnell rückte wieder der Balkan als „Pulverfass Europas“ in Mittelpunkt. Nach allerlei Konflikten zwischen der Donaumonarchie und den Balkanstaaten und zwi-schen den Balkanstaaten und dem Osmanischen Reich , kam es 1912/13 zu einem Krieg zwischen dem Balkanbund, einem Vereinigung aus Bulgarien, Serbien, Monte-negro und Griechenland, und dem Osmanischen in dessen Verlauf letzteres fast sein ganzes europäisches Territorium einbüßen musste. (1)
Fast ein Jahr später, im Juni 1914, sollte ein Ereignis Europa genauso unerwartet treffen, wie ein solches Ereignis kriegstreiberische Kreise es erhofft hatten. Am 28. Juni 1914 wurde der österreichisch- ungarische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau im bosnischen Sarajewo von dem Mitglied einer großserbischen Geheim-organisation, die in Bosnien im Untergrund arbeitend den Anschluss an Serbien for-derte. Doch nach Plänen des ermordeten Thronfolgers sollte Bosnien, 1908 von Ös-terreich- Ungarn annektiert, ein anderes Schicksal beschieden sein, als die Einglie-derung und damit Stärkung Serbiens. Österreich- Ungarn vermutete hinter dem An-schlag eine Verschwörung, die auch unter anderem von Serbien aus unterstützt wur-de. Alle europäischen Mächte waren von diesem Vorfall höchst empört, war es doch ein Angriff gegen das noch in Europa vorherrschende monarchistische System.
Der deutsche Kaiser gab eine Woche nach dem Anschlag, der österreichisch- unga-rischen Regierung eine Blankvollmacht, womit sich Deutschland quasi unabdingbar auf die Seite Österreich- Ungarns stellte und sein Schicksal mit dem seines „deut-schen Bruders“ verknüpfte. Zwei Wochen nach dieser „Blankovollmacht“, in der viele einen wichtigen Grund für den ersten Weltkrieg sehen, stellte Österreich- Ungarn Serbien ein Ultimatum (23. Juli 1914), worauf es nach dessen Nichterfüllung am 28. Juli 1914 Serbien den Krieg erklärt. Von hier an trat nun die Verkettung der einzelnen Bündnisse in Kraft, die sich nach Bismarcks Absetzung gegen die Mittelmächte neu konstelliert hatten. Russland, welches sich als Schutzmacht Serbiens verstand, be-fahl am Tag darauf die Teilmobilmachung und am 30. Juli die Gesamtmobilmachung.
Einen weiteren Tag darauf stellte Deutschland an Russland ein Ultimatum zur Zu-rücknahme der Mobilmachungsanstrengungen und drohte mit Krieg. Deutschland musste nämlich, dem Schlieffenplan gemäß, schneller als Russland mobil, um zu-nächst Frankreich über das neutrale Belgien in die Knie zu zwingen, um sich dann Russland zu widmen, bei dem man erwartete, dass es lange brauchen würde, um die Mobilmachung abzuschließen. Als Russland das Ultimatum nicht erfüllte, erklärte Deutschland am 1. August Russland den Krieg und verfuhr dem Schlieffenplan ge-mäß, nach vorangegangener Kriegserklärung an Frankreich(3.August).

(1) ab Ende Seite 17 zusammenfassend folgende Quellen: Quelle 1, S.251/252/257-263; Quelle 3,
S.1248-1256/1295-1335; Quelle 4, S.584/601/608/609; Quelle 5, S.28-31
Auf dessen Seite trat nun Großbritannien in den Krieg ein und erklärte am 5. August Deutschland den Krieg. Italien musste dem Dreibundvertrag gemäß nur bei einem Angriff Frankreichs auf Deutschland in den Krieg eintreten. Italien blieb deshalb neut-ral.
Als am 1. August russische Truppen an mehreren Punkten die Grenze Ostpreußens überschreiten, wird der deutschen Militärführung klar, dass man russische Mobilma-chung unterschätzt hatte. Zwar konnte durch die Schlacht bei Tannenberg, wo man Hindenburg als Oberbefehlshaber und Ludendorff als Generalsstabschef zu den „Helden von Tannenberg“ hochstilisierte – tatsächlich ging die Entscheidung zum Sieg auf einen gewissen General v. Francois zurück, der durch die Nichtbeachtung und Zuwiderhandlung mancher Befehle des Zweigestirns die Wucht des Angriffs ver-stärkte und somit den Sieg herbeiführte- der entscheidende Sieg im Osten herbeige-führt werden, nach dem die russischen Truppen bis zum Frieden von Brest- Litowsk nur noch auf dem Rückmarsch, doch wurden durch diesen Zweifrontenkrieg, den man eigentlich durch den Schlieffenplan vermeiden wollte, die Westfront an Trup-penstärke geschwächt. Noch im Sterbebett sprach Schlieffen 1913 die Worte aus: „Macht mir den rechten Flügel stark!“(2) Doch Helmut von Moltke, Neffe des genialen Strategen von 1870 änderte auf Betreiben Ludendorffs das Kräfteverhältnis des rech-ten Flügels zum linken Flügel von 7:1 auf 3:1. In der Marneschlacht vom 5.- 12. Sep-tember sollte sich diese Veränderung verheerend auswirken. Zwar war die Wucht dieses unerwarteten Angriffs über das neutrale Belgien aus Norden stark genug, um die französischen und englischen Truppen weit ins Landesinnere zurückzutreiben, doch blieb an Marne stecken. Es mochten vielleicht noch 50 Kilometer bis zur Haupt-stadt gewesen sein, doch die Kräfte waren verbraucht. Der deutsche Vormarsch war gestoppt und aus dem Bewegungskrieg wurde der Stellungskrieg, der das land-schaftliche Gesicht Frankreichs für nächste Jahrzehnt radikal verändern sollte. Der völlig verzweifelte Moltke meldete beim Kaiser „ Majestät, wir haben den Krieg verlo-ren.“ Doch er ging noch weitere 4 Jahre. (1)
Ab hier möchte ich die Fortführungen nur noch im Grobüberblick weiterführen, da durch die zunehmende zeitliche Entfernung von dem Ursprung, der „Emser Depe-sche“, die weiterhin detailreiche Ausführung denke ich zu ermüdend wäre und ein-fach für eine solche Arbeit zu umfassend ist. Es kommen nun also die Spätfolgen, sozusagen als Konsequenz der Nahfolgen.
Die Bilanz des „Großen Krieges“ waren 10 Millionen Tote und 20 Millionen Verwun-dete. Russland wurde 1917 durch eine Revolution erschüttert, die das künftige Bild der Welt ebenso verändern sollte, wie der harte „Versailler Friedensvertrag“ das be-siegte Deutsche Reich. Deutschland musste Gebietsabtretungen und harte Repara-tionszahlungen hinnehmen. Zudem wurde ihm die alleinige Kriegsschuld zugespro-chen. Deutschland musste sein Heer bis auf 100000 Mann komplett aufgeben. Ös-terreich wurde fast komplett zerstückelt. Es entstand eine Vielzahl von neuen Staa-ten in Südosteuropa. Beide Staaten mussten zwangsweise die demokratische Regie-rungsform annehmen. Zum ersten Mal gab es Frauenwahlrecht in Deutschland und das Volk hatte die alleinige Souveränität. Ein starker Reichspräsident wirkte als „Kai-serersatz“, doch war es genau diese Macht des Präsidenten, die noch eine viel grö-ßere Veränderung der deutschen Geschichte, ja der gesamten Erdgeschichte brin-gen sollte. Die Bürde, die Deutschland nach dem 1.Weltkrieg, zu tragen lastete schwer auf der Regierung und entfachte gepaart mit Inflation, dem „Schmachfriede von Versailles“ und der steigenden Arbeitslosigkeit ein neues Feuer des Nationalis-mus in Deutschland.

(1)ab Mitte Seite 20 zusammenfassend folgende Quellen: Quelle 1, S. 263-276; Quelle 3, S.1335-1341; Quelle 4, S.610-616; Quelle 8 (Sachbuch zum 1. Weltkrieg)
(2)Quelle 8, S.9
Hinzu kamen noch antisemitische Hetzkampagnen der Nationalsozialisten, einem Kind des „Versailler Schmachfriedens“ und der Weltwirtschaftskrise. Das Hakenkreuz leuchtete als immer heller werdender Stern am Firmament.
Am 30. Januar 1933 wurde nach mehreren erfolglosen Versuchen durch mehr oder minder demokratisch gesinnte Koalitionen Präsidialkabinette zu bilden, Hitler, der Führer der nationalsozialistischen Bewegung, zum neuen Reichskanzler ernannt. Er hatte ebenso wenig eine Mehrheit im Parlament wie seine Vorgänger, doch seine Programmatik war einfach: Antikapitalismus, Antikommunismus, Antidemokratie und Antisemitismus. Nach außen deutlich gezeigt wurde zunächst nur der Antikommu-nismus. Antidemokratie und Antikapitalismus wurden aber auch schon früh mit in das Programm aufgenommen. Jedoch erlangte Hitler auf legalem, demokratischem Weg die Macht. Mit der Reichstagsbrandverordnung und dem Ermächtigungsgesetz, dem gesetzlichen Fundament seiner Diktatur, wurde nun der demokratische Rechtsstaat endgültig abgeschafft. Der Antisemitismus, nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Staaten Europas, vor allem in Frankreich in fast noch größerem Ausmaße verbreitet als in Deutschland, war durch die Hetze der Nationalsozialisten so hochsti-lisiert worden, dass es zu Ausschreitungen der Bevölkerung gegen Juden kam. Je-doch wurden diese meist von überzeugten Parteigängern aus- oder angeführt.
Die Außenpolitik Hitlers war auf rücksichtslose Expansionspolitik aus. So wurden nach und nach dem Reich Österreich, das Sudetenland und die Resttschechei ein-verleibt. Mit dem Angriff auf Polen, das zuvor von England und Frankreich Garantien bekommen hatte, begann der Zweite Weltkrieg. Bis 1941 war fast ganz Europa unter der Herrschaft der Achsenmächte (Italien, Deutschland). Doch man wollte mehr. Mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion begann auch der systematische Völ-kermord. Als letztlich die Alliierten bestehend aus der USA, Großbritannien und der UdSSR – Frankreich hatte schon 1940 kapitulieren müssen und war somit nicht zu den Siegermächten zu zählen – Deutschland und seine Verbündeten in dem fast 6 Jahre dauernden Krieg besiegen konnten, waren ihm 55 Millionen Menschen zum Opfer gefallen. Der Verantwortliche hatte sich jedoch seiner Verantwortung entzo-gen, tief in seinem Bunker unter der Reichskanzlei.
Als die großen Sieger gingen die USA und die Sowjetunion als die neuen großen Supermächte hervor. Noch einmal sollte die Welt polarisiert werden, wenn auch diesmal die Lager ausgeglichener waren.
Dieser Ost-West-Konflikt sollte zum bestimmenden Faktor bei allen internationalen Beziehungen während des Kalten Krieges sein. Das beständige Wettrüsten der bei-den Parteien hätte die Welt bei einem etwaigen Krieg mehr als einmal zerstören kön-nen. Mehrere Höhepunkte des Konfliktes hielten die Welt in Atem. Wäre es zum Krieg gekommen, wäre es wohl ein tatsächlicher „Weltkrieg“ geworden. Heut nun, da wir diesen Konflikt nicht mehr verspüren, der solang die Welt bewegte, müssen wir uns umso mehr fragen, ob unsere heutige Existenz nicht mehr ist, als die Aneinan-derreihung von eingetretenen Möglichkeiten. An jedem Wendepunkt, wovon ich nun genug in diesem Abschnitt dargelegt habe, war es wohl immer die Entscheidung für diese oder jene Möglichkeit des Weiterverfahrens. Doch war diese Entscheidung, wie sie letztendlich dann eingetreten ist auch wirklich notwendig, war sie unumgänglich? Wäre sie das nicht, sind die Folgen dieser nicht unumgänglichen Entscheidung auch nicht unumgänglich. So setzt sich das bis in unsere heutige Zeit fort. Unsere Gegen-wart ist die letzte Folge von nicht unumgänglichen Möglichkeiten. Und diese Gegen-wart wird jeden Tag, jede Minute erneuert, ständig korrigiert durch das Eintreten von neuen, zur Wirklichkeit gewordenen Möglichkeiten. Möglichkeiten. Es sind wirklich nur Möglichkeiten. Es hätte auch anders passieren können. Wir würden sagen, es war der Zufall, der oft so entschieden hat. Auch wenn ich schon mich zum Zufall ge-äußert habe. Denn die Tatsache eines Zufalls gibt es nicht. Es gibt nur den „Schein eines Zufalls“. Dennoch möchte ich meinen folgenden Ausführungen dieses Wort durchaus mit einbeziehen, da man es als typische menschliche Verhaltensregel be-zeichnen würde, dass man es Zufall nennt, wenn etwas ohne wirklich erkennbaren Grund geschieht. Dies jedoch allerdings immer unter der Maxime, dass es nur der „Schein des Zufalls“ ist. (1)

(1) Für die beschriebene Zeit nach dem 1. Weltkrieg verwendete Quellen: Quelle 1, ab S.277;
Quelle 3, ab S.1346; Quelle 4, ab S.624; Quelle 6, S.124 ff, bzw.
Allgemeinbildung


So, als Nächstes kommt nun endlich die Spekulation, sprich der interessantere Teil, den man wohl aber eben nur versteht, wenn man auch die historische Wirklichkeit kennt.

Gruß Majo :wink:
Aus der Geschichte der Völker lernt man,dass die Völker aus der Geschichte nichts gelernt haben!
...mit jeder Sekunde, die vergeht, erhöht sich die Dummheit in diesem Land!!
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Ralf 207
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Beitrag von Ralf 207 »

dies seite ist auch gut

http://www.deutsche-schutzgebiete.de/dfkrieg.htm

MFG Ralf(207)
Im Tode kann man keine irdischen Güter mit in das Jenseits nehmen; Es macht keinen Sinn, grenzenlos Besitz anzuhäufen.
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marde
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Beitrag von marde »

Hi,
meine Herren,da haste dich mächtig ins Zeug gelegt.Ziemlich schwere Kost.
Währe es nicht einfacher du machst ne Map daraus ??
Gruß
Marde
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